Dienstag, 3. Februar 2009

Wie würde ich agil meinen Eltern erklären?

Ich begebe mich an einem schönen Samstag morgen ins Autohaus mit der Absicht, einen Wagen zu kaufen. Im Verkaufsraum werden mir verschiedene Modelle gezeigt, der Verkäufer ist nett und nimmt sich viel Zeit. Jene vergeht und ich weiss, hier gefällt mir kein Wagen. Bei der Konkurrenz ist das ähnlich, da war ich bereits. Irgendwie sind das alles Standartprodukte, das möchte ich nicht.

Ich habe eine Vision von meinem Wagen und wenn ich mich umsehe, gibt es den nicht. Also bau' ich mir ihn selbst. Hinter dem Verkaufsraum, in der Entwicklung, Konzeption und Produktion werden sich meine Träume erfüllen!

Auf der Suche nach einem kompetenten Partner werde ich schnell fündig. Mir steht nun ein Team von Designern, Konstrukteuren, Modellbauern, Ingenieuren, Sattler, Qualitätsbeauftragten, Entwicklungsleitern und vielen anderen zur Verfügung. Alles Profies, versteht sich.

Ich treffe das Team zum ersten Mal, ich freu mich schon, denn sicher werden sie meine Vision vom perfekten Auto mögen. Ich bring den Elevator-Pitch hinter mich und ... wie ich vermutet hatte, MEIN Team ist begeistert! Es schauen ca. 20 Augen auf mich: Wo fangen wir an?

Nun, ich bin ein passionierter Autofahrer, weiss was ich möchte und wie mein Wagen in etwa aussehen soll. Wie man vorgeht weiss ich nicht. Ich habe keine Ahnung, also spiel' ich den Ball zurück und frage: Wie würden Sie vorgehen?

Wenig überrascht (ich hatte es ja erwartet) breitet sich die geballte Kompetenz der Anwesenden vor mir aus - he, die Jungs wissen, wie sie es geht. Also lehne ich mich zurück und verschaffe mir ein Überblick.

Jetzt hab' auch ich einen Plan, sehr gut! Ich treff' mich nun regelmässig mit meinem Team und sie zeigen mir den Fortschritt. Ich kann dann jeweils meine Meinung dazu geben und auch Veränderugen vornehmen lassen, z.B. beim Heck. Da bin ich mir sicher, dass es einige Designänderungen geben wird. Ich weiss nämlich noch nicht recht, wie es aussehen soll ...

In der Zwischenzeit ist ein Jahr vergangen und das Team hat hart gearbeitet, wir haben uns regelmässig getroffen und ich konnte bereits nach einem Monat ein Knetmodell in den Händen halten. Heute, nach 12 Monaten steige ich zum ersten mal in dem fahrbaren Prototyp. Ich freu' mich.

Wie machen die das? Nach 12 Monaten weiss ich immer noch nix darüber, wie man ein Auto baut, brauch ich auch nicht, denn mein Team weiss das. Ich vertaue dem Team, bekomme früh Feedback zu meinen Wünschen, weiss immer genau, wie lange man für die Umsetzung brauchen wird. Das Team berät' mich sogar.

4 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Hi interessante Metapher. Mich würden allerdings folgende 2 Punkte interessieren.

1. Was ist wenn das Team sich mit der Domaine überhaupt nicht auskennt? Es was komplett neues ist.

2. Wenn der Kunde selbst keine Ahnung hat was er eigentlich will, bzw seine eigenen Prozesse gar nicht kennt.

Wie würde dann die agile vorgehensweise aussehen ?

Freue mich auf Feedback

jp hat gesagt…

Hallo Rudolf,

danke fuers Feedback und für die durchaus interessanten Fragen.

zu 1.) Nun, bei dieser Ausgangslage wird kein Erfolg möglich sein, weder klassisch noch agil. Insbesondere beim agilen Vorgehen ist Vertrauen in das Team und dessen Fähigkeiten der Schlüssel zum Erfolg. Kennt das Team die Anwendungsdomäne nicht, wird sich das in den Ergebnissen niederschlagen und das Vertauen wird schwinden, ebenso wie der Gesamterfolg.

zu 2). Das ist meiner Meinung nach die Realität. Nicht, dass jeder Kunde so aufgestellt ist. Ich vertrete eher die Meinung, dass der Kunde(im Sinne des Auftraggebers) nicht/nicht richtig weiss, was dessen Kunden(im Sinne der Endbenutzer) eigenlich wollen. Genau dass dem kann man mit agilem Vorgehen entgegenwirken, denn hier ist es explizit erlaubt, Änderungen einzubringen. Der Prozess ansicht unterstützt den Kunden auch, das Produkt der Zielgruppe früh(er) und regelmässig zur Verfügung zu stellen (instant feedback & time to market).

Wie in dem Beispiel mit dem Autobauer beschrieben, kann man durchaus von zwei Dingen ausgehen:

1). Das Team heisst: es sind Profies. Sie wissen, wie man den Job macht.

2). Das Team kann/wird den Kunden beraten. Sie haben die Expertise und man kann erwarten, dass man vom Team Feedback bekommt. Ein agiles Team ist es gewohnt sich einzubringen. Es sind keine 9-to-5 Worker. Sie arbeiten nicht nach command-control pattern, sondern nach produce and consum.

Gruss, Jean-Pierre

Anonym hat gesagt…

Hi Jean-Pierre,

sehr guter Artikel/Ansatz. Ich habe mir erlaubt, Dich in meinem Artikel zu erwähnen bzw. zu zitieren: http://www.getzcope.com/blog/2009/03/05/und-wie-sag%E2%80%98-ich-es-meinen-eltern/


LG
Conny

Anonym hat gesagt…

hallo jean-pierre,

war ein netter versuch, aber
die metapher taugt einfach nicht.

nach einigen wochen duerften dich
vielleicht noch 20 augenpaare anschauen. wenn du die dann aber nicht bezahlst, brauchst du schon einen guten spiegel, damit dich noch 20 augenpaare anschauen.

nun gut, immerhin hast du nach 12 monaten einen prototyp fuer ca.
500 000 arbeitskosten material und maschienen noch nicht gerechnet.

herzlichen glueckwunsch,

gerold